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© / Quelle: Ostfriesischer Kurier / 30.03.2011

„Es hat viel Spaß gemacht“

Klootschießen Weltrekordhalter Stefan Albarus aus Norden beendet beeindruckende Karriere

Ausnahmewerfer glänzte als zweifacher Europameister

Seine Spezialität: sage und schreibe 35-mal bezwang er die magische Marke von 100 Metern.

Von Bernhard Uphoff

Norden/Faßberg – Seine  Gala-Auftritte waren wahre Feuerwerke, für seinen Abschied hat er einen stillen Abgang gewählt: Der Ausnahmeklootschießer Stefan Albarus aus Norden beendet seine beeindruckende Karriere. Ein weiterer Start bei der Europameisterschaft 2012 in Italien kommt für den 42-Jährigen nicht mehr in Frage. „Es hat mir all die Jahre viel Spaß gemacht. Aber jetzt ziehe ich einen Schlussstrich“, sagt der in Faßberg in der Lüneburger Heide lebende Berufssoldat. Als Weltrekordhalter, zweifacher Europameister und mit einer wohl nie wieder zu erreichenden Spitzenmarke von sage und schreibe 35 Würfen über 100 Meter hat Albarus über Jahre hinweg große Friesensport-Geschichte geschrieben. Jetzt legt er die Klootkugel zur Seite. „Ich höre auf. Es gibt kein Zurück mehr.“ Allein als Boßler für den Landesligisten Ardorf wird er künftig noch zu sehen sein.

So bleibt der allerletzte Wurf in seiner beispiellosen Friesensport-Karriere in schmerzhafter Erinnerung. Als sein langjähriger Wegbegleiter Erwin Holzenkämpfer Ende vergangenen Jahres beim Silvester-Klootschießen in Utgast als ostfriesischer Bahnweiser verabschiedet wurde, trat Albarus ihm zu Ehren an und zog sich beim Abwurf vom Sprungbrett einen Bänderriss im linken Fuß zu. Anschließend kamen schmerzhafte Rückenprobleme hinzu. Aber nicht nur die ersten Hinweise seines lange bei Höchstleistungen geforderten Körpers verstand das langjährige Aushängeschild des KBV„Noord“ Norden:„Einerseits geht es auf die Knochen, andererseits wird die Vorbereitung immer schwieriger.“ 280 Kilometer von seiner Heimatstadt entfernt ist der einstige Spitzenkönner in der Lüneburger Heide auf sich allein gestellt. Er muss nicht nur weite Fahrten zu Qualifikationen in Kauf nehmen. Vor allem beim Technik-Training kann ihn in Faßberg, wo er bereits seit 1999 lebt, niemand unterstützen. Folge war bereits ein tragisches Aus in der Qualifikation für die EM2008 im irischen Cork. Mit seinem bewährten Einsatz kämpfte sich Albarus damals noch einmal heran und warf vor den Augen seines Nachfolgers Frank Goldenstein als Europameister wieder 90 Meter während eines Trainingslagers in der Bundeswehrsportschule Warendorf, die der Norder als einziger Klootschießer überhaupt besuchen durfte.

„Ich will topfit sein. Noch einmal so viel Zeit zu investieren, das schaffe ich nicht“, sagt Albarus. Als er im Februar bei den Feierlichkeiten zum 100-jährigen Bestehen seines Stammvereins „Noord“ von seinem langjährigen Weggefährten Hans-Jürgen Holzenkämpfer als der „größte Klootschießer überhaupt“ gewürdigt wurde, reifte der Gedanke, einen Schlussstrich zu ziehen. „Das große Jubiläum war ein guter Abschluss. Das war noch einmal ein Höhepunkt. Mehr kann nicht kommen.“

Seine Messlatte liegt so hoch, es wird noch lange dauern, bis irgendwann wieder einmal ein Klootschießer in ihre Nähe kommen kann. Wohl dem, der die Kracher des Ausnahmekönners Albarus miterleben durfte. Während Spitzenwerfer wie Gerd Gerdes, Harm Henkel oder Hans-Georg Bohlken, alle selbst einst Rekordhalter, die Schallmauer im Klootschießen von 100 Metern vereinzelt durchbrachen und andere namhafte Größen trotz beständig guter Leistungen knapp an ihr scheiterten, Albarus knackte die magische Marke gleich reihenweise. Motiviert und gefördert von seinen Eltern Helga und Burghardt griff er schon als kleiner Junge zur Klootkugel. „Bei uns hat sich alles ums Klootschießen gedreht. Das war mein Leben.“ Als reiner Amateur lebte der Norder von der Anerkennung. „Der Jubel der Leute war sehr schön. Es hat Spaß gemacht und war ein schönes Gefühl, das Ding so weit wie möglich zu werfen.“

Erfolge, Medaillen, Titel, die reihte Albarus wie Perlen zu einer Kette aneinander. Seine Knaller bleiben in Erinnerung: 1992, beim letzten Test vor der EM in Cork, zaubert Albarus eine unglaubliche Serie von fünf Würfen über 100 Meter auf die Norddeicher Drachenwiese. Am 30. Juni 1996 schlägt seine große Stunde, als er beim Friesischen Mehrkampf in Großheide seinen eigenen Weltrekord um weitere 30 Zentimeter auf 106,20 Meter verbessert – die sind in Stein gemeißelt. „Der Wurf war flach. Ich wusste, dass er weit war. Als alle jubelnd auf mich losstürmten, ahnte ich die wirkliche Weite.“ Tausendfach die475-Gramm-Kugel in den Himmel katapultiert, bekommt ein Wurf ein Sternchen: Als sich Albarus mit dem Rekordergebnis von 305,95m bei drei Würfen über 100 Meter am 3. Juni 2000 im schleswig-holsteinischen Meldorf bei seinem „größten Moment“ zum Europameister krönt, funkt es besonders: „Die 103,30 m damals bei Windstille in einem Stadion, das war der optimale Wurf.“

Eine glänzende Technik, ein blitzschneller Wurfarm, eiserner Trainingswille, viel Talent und großer Ehrgeiz gehören zu seinem Erfolgsgeheimnis. Mit dem Norder Sportlehrer und Ex-Boxer Anton Apetz und dem langjährigen „Noord“-Vorsitzenden Holzenkämpfer ging Albarus neue Trainingswege mit viel Arbeit in den Wintermonaten. Ein schöner Lohn dafür: Bei der Norder Jahrhundert-Sportlerwahl wurde Albarus auf Platz drei gewählt. „Das war eine tolle Anerkennung.“ Im Klootschießen hat das Jahrhundert-Ass alles erreicht. „Jetzt aufzuhören, fällt gar nicht schwer“, sagt Albarus schließlich.„Ich fühle mich wohl dabei, denn jetzt ist das Hin und Her vorbei.“

 

Rückblicke

© / Quelle: friesensport.de-Redaktion

03. Juni 2000

Der Adler lernt fliegen

Stefan Albarus Europameister mit Rekordweite

 von gero meischen

Der "Adler von Norden", Stefan Albarus, holte sich die EM-Titel 2000 und 2004.

Meldorf (Schleswig-Holstein)Über Jahre führte Hans-Georg Bohlken die Ergebnislisten im Klootschießen von der Spitze her an. Kaum einer konnte ihn ernsthaft in Gefahr bringen - drei Europatitel in Folge (1984, 1988 und 1992) und der Weltrekord (1985) sprachen eine deutliche Sprache. In seinem Schatten wuchs im Norder Stefan Albarus ("Adler von Norden") ein Kronprinz heran, dessen großer Moment bereits 1996 gekommen schien. Konstante Leistungen um und über die 100-Meter-Marke hoben ihn vor der EM 1996 auf den Favoritenschild und ließen ihn als überragenden Sieger beim Titelkampf am 17. Mai 1996 in Tubbergen (NL) erwarten. Doch er sollte Nerven zeigen ...

Detlef Müller (Mentzhausen) setzte ihn mit beherzten Würfen unter Druck, dem er mit einem verunglückten zweiten Wurf nicht standhalten konnte und gänzlich mit leeren Händen das Feld geschlagen verließ. Der sechs Wochen später erzielte und heute noch gültige Weltrekord von 106,20m mochte diese Schmach nicht lindern.

Mit Zähigkeit und Konstanz steuerte er auf den nächsten Titelkampf am 03. Juni 2000 in Meldorf zu. Im Vorfeld der EM ließ er sich diesmal nicht in die Karten schauen und mit Qualifikationsweiten glänzen, sondern er präsentierte sich mit mehr Ruhe und Bedacht, allein fokussiert auf diesen einen Tag. Der 03. Juni 2000 sollte zum Tag des Stefan Albarus werden. Drückend überlegen präsentierte er sich der Konkurrenz, allen voran dem ärgsten Rivalen aus dem eigenen Lager, Thore Fröllje (Grabstede), als auch dem Schleswig-Holsteiner Sönke Dreeßen, der vor der EM mit 100er-Würfen erneut auf sich aufmerksam gemacht hatte.

Doch am 03. Juni 2000 war Stefan Albarus allen Gegner gewachsen: Sein erster Versuch schlug bei 102,50m ein und sollte die Zuversicht nähren. Den zweiten Versuch, vier Jahre zuvor noch die Achillesferse seines Wettkampfes, trieb er sicher auf 100,15m. Die eigenen Nerven nun im Zaum und den sicheren ersten Titelgewinn vor Augen jagte er den dritten Versuch auf schier unglaubliche 103,30m und ließ den Europatitel nicht mehr los. Mit 305,95m aus drei Versuchen ließ er einen neuen inoffiziellen Europameisterschaftsrekord in die Bücher eintragen mit dem Hinweis, als erster Teilnehmer eines Klootschießerstandkampfes in einer Europameisterschaft alle drei Wertungswürfe über die 100er-Marke gesetzt zu haben. Dieses Kunststück brachte vor ihm noch keiner zu Werke. Der Kronprinz war endgültig aus dem Schatten des "Bär von Ellens" (Bohlken) getreten. Bohlken hatte zwar sowohl beim ersten Titelgewinn in Garding (1984/Schleswig-Holstein/100,20m) als auch beim zweiten Titelgewinn in Norden (1988/102,20m) je einen Wurf über die 100er-Marke gesetzt, nicht aber jeweils alle drei Wertungswürfe. Dieses Novum blieb dem "Adler von Norden" vorbehalten, der den grandiosen Titelgewinn von Meldorf vier Jahre später bei den Europameisterschaften in Westerstede wiederholen sollte.