Klootschießen  (alle Angaben ohne Gewähr)    

Klootschießen

Der Rekord

 

101,50

Gerd Gerdes

18.03.1935

 

102,00

Harm Henkel

15.09.1985

14:47

 

105,20

Hans-Georg Bohlken

15.09.1985

16:30

 

106,20

Stefan Albarus

30.06.1996

Der Boßelsport hat in der Region einen hohen Stellenwert, höher noch als das Klootschießen - und dennoch gebührt dem Klootschießer der höhere Rang. Das Klootschießen ist für die Erzielung großer Weiten technisch anspruchsvoller - hier reicht nicht nur gelegentliches Training, sondern langjähriges ausdauerndes Verfeinern und Ausschöpfen der eigenen Möglichkeiten. Top-Athletik gepaart mit ausgefeilter Technik ermöglichen eine Weitenkontinuität und den Griff nach dem Rekord. Entgegen dem Boßeln verfügt das Klootschießen nur über eine geringe Zahl wirklicher Siegwerfer. Entscheiden beim Boßeln nicht nur das eigene Können und Geschicklichkeit über Sieg oder Niederlage, sondern auch Glück, Wettkampf- und Straßenverlauf, so zählt beim Klootschießen einzig und allein das Können. Eine Etablierung des Klootschießens als "Breitensport" ist unter diesen Voraussetzungen schwerlich vorstellbar - es wird ein Sport für den wirklichen Könner bleiben. Und deshalb gebührt dem Klootschießer dafür auch der höhere Stellenwert.

Beim Klootschießen wird als Wurfergebnis die Strecke zwischen Abwurfpunkt und Aufschlagpunkt der 475-Gramm-Kugel (Hauptwerfer) gemessen. Top-Klootschießer erzielen konstante Weiten um die 90 Meter; 80 Meter reichen manchmal schon, um in einer Auswahlmannschaft aufgestellt zu werden - so dünn besetzt ist die Spitze.

Und gelegentlich schält sich selbst aus dieser dünnbesetzten Elite noch einer hervor, der das vermeintlich Unmögliche wagt und eine neue Marke setzen will:  den Welt-Rekord

18. März 1935  Auf dem Kreisverbandsfest in Esens übertrifft Gerd Harms Gerdes aus Utgast als erster Klootschießer die 100-Meter-Marke und setzt mit 101,50m eine Marke, die 50 Jahre überdauern sollte.

In den nächsten 50 Jahren versuchen sich immer wieder ausgezeichnete Werfer an dieser Weite, allen voran der vierfache Europameister im Klootschießer-Standkampf Martin Siefken, der 1968 mit 100,35m dem Rekord schon sehr nahe kommt und 1984 Hans-Georg Bohlken, der bei der Europameisterschaft in Garding (Schleswig-Holstein) mit 100,20m als Nächster die "100" knackt.

15. September 1985  Bei den 8. FKV-Einzelmeisterschaften im Klootschießen in Burhave (BUT) überwirft der Pfalzdorfer Harm Henkel um 14:47 Uhr die legendäre Gerdes-Weite aus dem Jahr 1935 und stellt mit 102,00m einen neuen Weltrekord auf. Wieder ein Wurf für die nächsten 50 Jahre ? Harm Henkel hat mit seinem Wurf die anwesenden Fachleute überrascht, hatte man ihn doch gar nicht auf der Rechnung und die Rekordbrechung doch eher dem Oldenburger Hans-Georg Bohlken, dem "Bär von Ellens", als legitimen Nachfolger von Gerd Harms Gerdes zugetraut, der bereits mehrfach annähernd an diese Weite herangekommen war, sie aber doch nicht bezwang.

15. September 1985  Im Nachgang zu den FKV-Einzelmeisterschaften erklärt das Oldenburger Idol Hans-Georg Bohlken, nunmehr ebenfalls den Rekord angreifen zu wollen. Um 16:30 Uhr schleudert er den Kloot auf dem Außendeichgelände in Burhave auf die neue Rekordweite von 105,20m. Hoch her gingen die Wogen ob der Anerkennung, erfolgte doch der Rekordwurf vermeintlich nicht innerhalb eines offiziellen Wettkampfes. Doch schlußendlich setzte sich die Vernunft durch und der Wurf hielt Einzug in die Rekordbücher. Wieder für 50 Jahre ?

30. Juni 1996 In dem Norder Stefan Albarus wuchs dem Ausnahmeklootschießer Hans-Georg Bohlken ein ehrgeizig-ernstzunehmender Konkurrent nach. Hatte Bohlken bisher mit Können und Routine vermeintliche Herausforderer in Schach gehalten, so mußte er am 30.06.1996 Stefan Albarus beim Weltrekord den Vortritt lassen, erzielte doch dieser die neue und heute noch unbezwungene Weite von 106,20m. Bei den Europameisterschaften 2000 in Meldorf gelang Stefan Albarus ein weiteres Meisterstück: Erstmals überwarf ein Klootschießen-Standkämpfer bei den seit 1969 ausgetragenen Europameisterschaften mit allen drei Wertungswürfe die 100-Meter-Marke; mit zusammen 305,95m zementierte der "Adler von Norden" einen neuen Rekordwert.

Wer bricht diesen Rekord als Erster ?  Hat Sönke Dreeßen aus Schleswig-Holstein mit einer anderen Technik/Wurfart das Zeug dazu. Im Juli 1998 war er schon einmal bis auf 104,50m an Stefan's Wurfleistung heran.

106,20m - für den Kenner eine schier unglaubliche Weite - für den Laien eine vorstellbare Entfernung. Doch wie soll eine solche Weite Würdigung finden, fehlt doch demjenigen der Vergleich, der selbst noch nie einen "Gegenstand" auf solche Entfernung geworfen hat. Vielleicht wird die Mächtigkeit des Wurfes dadurch deutlich, wenn man sich einmal vor Augen führt, wie man einst in der Schule einen 80-Gramm-Schlagball - annähernd 1/6 des Klootgewichtes - wuchtig über die 70-Meter-Marke warf - oder war's die 50-Meter-Marke ? Vielleicht sollte einmal ein Lars Riedel (Diskus-Olympiasieger) den Diskus beiseite legen und ein paar Würfe mit dem Kloot wagen. Ein Diskus ist zwar wesentlich schwerer als eine Klootkugel - im Gegenzug verfügt der Kloot aber nicht über diskusähnliche-"Flug"-Eigenschaften. Der Vergleich hinkt - dennoch wäre das Ergebnis interessant und würde die Dimension der Leistung eines Gerd Harms Gerdes, Harm Henkel, Hans-Georg Bohlken oder Stefan Albarus in's rechte Licht rücken.

 

 

 © 2003 Gerold Meischen

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