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© / Quelle: friesensport.de-Redaktion / 01.04.2008

Flüchterschlag erhält Konkurrenz

Holsteiner Rundwurf auf dem Vormarsch

FKV öffnet Regelwerk und kippt letzte Bastion

von Gerold Meischen

Der friesische Flüchterschlag (oben, dreifach Europameister Hans-Georg Bohlken) erhält ab Herbst 2008 Konkurrenz: Der FKV gibt die Wurfart im Klootschießen auch für die männlichen Klassen frei und öffnet damit dem holsteinischen Rundwurf (unten, zwei-facher Deutsche Meister Sönke Dreeßen) die Tür.

Oldenburg. Die Qualifikationswerfen für die Europameisterschaften brachten es erneut an den Tag: Die Tage des traditionellen Flüchterschlag sind bald gezählt. Nachdem erneut kaum neue, geschweige denn junge Gesichter die Konterfeisammlung des FKV-EM-Kader für die Europameisterschaften 2008 in Cork/Irland (01.-04.05.2008) zieren, griffen FKV-Vorsitzender Jan-Dirk Vogts (Hollwege) und FKV-Feldobmann Hans-Georg Bohlken (Schweinebrück) beherzt zur Notbremse und bringen eine revolutionäre Neuerung für die Klootschießer auf den Weg: Bereits bei den kommenden FKV-Klootmeisterschaften im Herbst 2008 ist die Wurfart den Aktiven in allen Altersklassen freigestellt. Sind damit die Tage des traditionellen und im männlichen Klassement einzig zugelassenen Flüchterschlags gezählt?

In der Frauenkonkurrenz hat sich der holsteinische Rundwurf bereits durchgesetzt. In der EM-Qualifikation vertritt allein Marina Kloster-Eden (Theener) noch den typisch friesischen Wurfstil mit dem Gang übers Brett. In der weiblichen Jugend ist der Flüchterschlag trotz des EM-Sieges 2004 von Christina Damken (Reitland) längst Geschichte und wird schon gar nicht mehr angewandt, geschweige denn trainiert.

In der Männerkonkurrenz hingegen war bislang nur der Flüchterschlag - mit oder ohne Brett - erlaubt. Dies ist nun ebenfalls Geschichte. Dabei war die Entwicklung bereits länger abzusehen. Der Flüchterschlag verlangt für anspruchsvolle Weiten einen erheblichen und permanenten Trainingsaufwand. In den vergangenen mehr als zehn Jahren ist das Niveau der Aktivenleistungen im Schnitt deutlich gesunken. Der von Stefan Albarus (Norden) 1996 mit 106,20 m aufgestellte Weltrekord ist für die Ewigkeit gemacht. Aktuell ist kein Aktiver in Sicht, der auch nur ansatzweise in die Nähe des Rekords schießen könnte. Musste die Klootkugel vor 15 Jahren noch annähernd 100 Meter weit für einen FKV-Titel geschossen werden, so reichen mittlerweile Werte unterhalb der 90er-Marke für den Titelgewinn. Die Entwicklung wird den Trend bestätigen. Verfügt der FKV im A/B-Jugendbereich noch über eine handvoll talentierter Klootschießer mit besten Wurfleistungen, so reduziert sich die Anzahl im C-Jugend-Bereich auf gerade einmal zwei Jung-Klootschießer. Der FKV hätte irgendwann handeln müssen. Die jetzige Entscheidung ist da nur eine zügige und richtige Konsequenz.

Der holsteinische Rundwurf ist weitaus einfach zu erlernen. Mit deutlich geringerem Trainingsaufwand lassen sich schnell ansprechende Wurfweiten erzielen. Manko der Wurftechnik ist die teils auffällige Streubreite in den Würfen, die in dieser Form mit dem friesischen Flüchterschlag nicht zu beobachten sind. Häufiger schon genügte der Tageshöchstwurf mit dem Rundwurf nicht für den Titelgewinn, da der nächste Wurf gänzlich die richtige Richtung verfehlte und entscheidende Metereinbußen am Titel vorbei einbrachte.

Bereits auf der diesjährigen FKV-Jahreshauptversammlung hatte die Schleuderball-Fraktion für den Schleuderball-Weitwurf im Friesischen Mehrkampf eine Änderung des Wurfstiles beantragt. Der Antrag wurde zunächst zurückgestellt - wird aber mit der aktuellen Entwicklung im Klootschießen kurzfristig wieder auf der Tagesordnung stehen.

© / Quelle: friesensport.de-Redaktion / 01.04.2008

FKV wagt Neuanfang

Vogts und Bohlken stellen sich den Fragen

von Gerold Meischen

Hans-Georg Bohlken  -  Jan-Dirk Vogts

Redaktion: Die kurzfristige Freigabe des Wurfstils für das Klootschießen so kurz vor der EM ist sehr überraschend. War es geschickt, nur wenige Wochen vor der EM diese Lawine loszutreten?

Jan-Dirk Vogts:  Der Zeitpunkt ist eigentlich egal und nach meiner Meinung sogar der richtige Moment. Unsere Aktiven für die EM stehen schon mitten im Training und werden kaum noch den Wurfstil ändern. Auf der anderen Seite ist gerade bei den Europameisterschaften laut IBA-Regel der Wurfstil sowieso frei. Vom FKV haben wir immer Wert auf unseren Flüchterschlag bei der EM gelegt. Dennoch hätte jeder Willige speziell für die EM schon einen anderen Wurfstil wählen können - wenn er sich denn damit eine größere Weite versprochen hätte. Wichtig ist doch, dass wir unserem Friesensport neue Impulse geben. Mit der alleinigen Festlegung auf den Flüchterschlag war das nach unserer Einschätzung nicht möglich - der holsteinische Rundschlag gibt uns neue Perspektiven.

Hans-Georg Bohlken:  Als Dritter der Ausscheidung habe ich mich erneut problemlos für die EM qualifiziert - mit 46 Jahren. Das hat mich sehr nachdenklich gemacht und war die Initialzündung für die Freigabe des Wurfstils im Klootschießen. Deshalb auch für mich der genau richtige Zeitpunkt - worauf sollten wir denn noch warten?

Jan-Dirk Vogts: Wir tragen doch den Flüchterschlag nicht zu Grabe oder verbieten ihn gar. Wer sich den vielfältigen Trainingsmühen für den Flüchterschlag hingeben will, kann das doch tun. Bei allen bisherigen Europameisterschaften hat der Europameister, der stets vom FKV gestellt wurde, immer mit Flüchterschlag gesiegt. Aber der Abstand schrumpft. Ich habe die Befürchtung, dass bei den kommenden Europameisterschaften vielleicht erstmals nicht ein FKVer ganz oben steht. Auf der anderen Seite sehen wir doch im Feldkampf mit der Hollandkugel immer wieder unseren Flüchterschlag im Vorteil. Der wird da sogar von den Iren und den Holländern praktiziert. Der Flüchterschlag wird also weiterleben.

Redaktion: Bei der Entscheidung blieb die Basis - die Kreise und Vereine - ganz und gar außen vor. Was erwartet ihr jetzt für Reaktionen von der Basis? Zustimmung? Ablehnung?

Jan-Dirk Vogts: Die Basis ist uns stets wichtig. Das ist für uns auch nicht zu diskutieren. Es wäre falsch jetzt zu glauben, wir würden über die Basis hinweg einfach handeln. Fakt ist doch, dass eine Freigabe des Wurfstils über die lange Diskussion mit der Basis erst in einigen Jahren möglich gewesen wäre. Diese Zeit haben wir einfach nicht, wenn wir heute gerade die Jugend wieder für unseren Sport begeistern wollen. Uns wurde der Auftrag als Vorstand des FKV von der Basis gegeben, Entscheidung herbeizuführen und zu treffen. Nichts anderes haben wir getan.

Hans-Georg Bohlken: Einige langjährige Wegbegleiter unseres Klootschießens werden sich jetzt vielleicht angewidert auf dem Sofa umdrehen. Das wird das Klootschießen aber nicht umwerfen. Mit Jammern und Reden allein kommen wir nicht weiter - deshalb haben wir ohne Diskussion die neuen Fakten geschaffen. Nun kann diskutiert werden.

Jan-Dirk Vogts:  Also, runter vom Sofa und das Beste daraus machen.

Redaktion: Werden wir eines Tages den Weltrekord von Stefan Albarus durch den holsteinischen Rundschlag fallen sehen?

Hans-Georg Bohlken: Das glaube ich eher weniger. Beide Techniken haben ihre Grenzen. Für den Rekordwurf hat der Flüchterschlag einen Tick Vorsprung - deshalb bleibt Stefans Weltrekord für die Ewigkeit erhalten.

Jan-Dirk Vogts: Den Weltrekord sehe ich auf lange Sicht unantastbar. Aber ich möchte noch auf einen anderen Aspekt verweisen. Wenn wir schon an Traditionen festhalten wollen, dann gehört auch unser Feldkampf dazu. Ideale Bedingungen dafür finden wir seit Jahren immer seltener. Mit dem holsteinischen Rundwurf eröffnen sich auch da neue Perspektiven. Die Holsteiner brauchen für ihre Feldkämpfe keinen anhaltenden Kahlfrost. Da wir ohne Brett und Laufteppich auskommen würden - wenn denn im Feldkampf nicht doch noch jemand mit dem Flüchterschlag übers Brett gehen möchte - ließe sich ein Feldkampf wesentlich kompakter und für Außenstehende interessanter gestalten. Ein interessanter Aspekt und eine Chance auf die Zukunft auch für den Feldkampf.

Redaktion:  Wenn denn die Basis nun mit der Entscheidung nicht leben kann und rebelliert, gibt es einen Weg zurück?

Jan-Dirk Vogts:  Nein.

Hans-Georg Bohlken:  Nein.

 

***April-April***