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/ Quelle: NWZ-Online / 20.01.2005
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Wesermarsch Zeitung -
Eine Sprache verliert den
Abstiegskampf
PLATTDEUTSCH Warum die einstige Verkehrssprache Norddeutschlands kaum
noch gesprochen wird
Heddo Peters berichtete. Er hatte 1200 Jahre Sprachgeschichte
mit Beispielen aufbereitet.
von henning bielefeld
ATENS - Klootschießer behaupten wacker, sie sei „us
Moderspraak“. Doch dafür hört man das Plattdeutsche im Alltag erstaunlich
selten. Welch schrecklichen Abstieg diese einstige Umgangs-, Verwaltungs-,
Handels- und Literatursprache hinter sich hat, erläuterte Heddo Peters in
einem Vortrag, den er auf Einladung des Rüstringer Heimatbundes hielt. Er
sprach am Dienstagabend im voll besetzten Burgsaal des Hotels „Friedeburg“.
Seine Ausführungen begannen um 800. Damals entwickelte sich aus dem
Altsächsischen das Altniederdeutsch. Es breitete sich mit der
Christianisierung Norddeutschlands aus. Dazu trug der „Heiland“ bei, eine
vermutlich von Mönchen um 830 in der Form eines germanischen Versepos
verfasste Übersetzung des Neuen Testaments. Doch bald gewann Latein als
Schriftsprache die Oberhand. Das Altniederdeutsche entwickelte sich zum
Mittelniederdeutschen weiter, das ab 1200 die norddeutsche Verkehrs-,
Handels- und Literatursprache wurde. Bauern, Geistliche und Adlige – sie
alle sprachen Niederdeutsch. Hochdeutsch wurde nur in Süddeutschland
gesprochen und spielte in Norddeutschland keine Rolle. Die beide Teile des
Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation verbindende Schriftsprache war
Latein, nicht Hochdeutsch.
Zur Ausbreitung des Niederdeutschen trug auch diesmal ein Buch bei: der
Sachsenspiegel. Diese Sammlung von Rechtstexten war zunächst in lateinischer
Sprache verfasst worden und wurde 1220 von Eike von Repgow ins
Mittelniederdeutsche übertragen. Mit dem Aufstieg der Hanse nach 1300 wurde
das Niederdeutsche zur grenzüberschreitenden Handelssprache im Nord- und
Ostseeraum. Briefe, Verträge, Warenlisten, Geschäftspapiere – alles war in
dieser Sprache verfasst. Auch die Literatur blühte auf: Auf
Mittelniederdeutsch gab es Gedichte, Liedtexte, Reimgebete, Fabeln wie das
heute noch bekannte „Reynke de Vos“ von 1498 und Theaterstücke wie „De
düdsche Schlömer“ von 1584, ein Vorgänger des „Jedermann“, der heute noch
bei den Salzburger Festspielen aufgeführt wird.
Doch damit war der Höhepunkt der niederdeutschen Kulturblüte überschritten.
Dazu trugen die Erfindung des Buchdrucks um 1450 und die hochdeutsche
Lutherbibel bei. Mit dem Buchdruck verbreiteten sich aus Süddeutschland und
Italien kommende Bewegungen wie Humanismus, Renaissance und Reformation.
Gleichzeitig begann der Niedergang der Hanse, der das Niederdeutsch als
Verkehrssprache überflüssig machte. Außerdem setzte sich Hochdeutsch als
Rechtssprache durch, weil am Reichsgericht in Speyer Hochdeutsch geschrieben
und gesprochen wurde. 1593 stellte die Grafschaft Oldenburg ihre externe
Korrespondenz auf Hochdeutsch um, 1635 auch die interne. Damit waren die
Oldenburger spät dran.
Inzwischen sprachen die gebildeten Schichten in den norddeutschen Städten
Hochdeutsch, nur noch das gemeine Volk, das nicht lesen und schreiben
konnte, hielt dem Plattdeutschen die Treue. Die niederdeutsche Literatur
verkümmerte.
Erst im Biedermeier, um 1850, wurde das Plattdeutsche von der Literatur
wiederentdeckt – als Gegenwelt zur politischen Unterdrückung und zur
aufkommenden Industrialisierung, die eine Entwurzelung vieler Menschen mit
sich brachte. 1852 veröffentlichte der Dithmarscher Klaus Groth (1819 bis
1899) seine Gedichtsammlung „Der Quickborn“, rührselige Anrufungen einer
paradiesischen Kindheit. Ein Jahr später folgten die „Läuschen un Riemels“
des Mecklenburgers Fritz Reuter (1810 bis 1874), in denen aus alltäglichen
Begebenheiten zeitlose und allgemein gültigen Lehren gezogen wurden. Damit
war im Wesentlichen das Muster der neuniederdeutschen Literatur vorgegeben.
Aktuelle Themen wurden höchst selten auf Plattdeutsch thematisiert. Kein
Wunder, dass die einstige norddeutsche Literatursprache ihre kulturelle
Relevanz fast völlig einbüßte. 1635 stellen die Oldenburger Ämter auf
Hochdeutsch um.
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